Wir und unsere Enkel

Wir und unsere Enkel     

Dialog zwischen einem (deutschen) Großvater und einer (polnischen) Großmutter – geführt am 17. März 2014 in der Zukunftswerkstatt d. SprachCafé Polnisch.

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 „Jeder von Euch ist ein wundervolles Geschenk Gottes an Eure Familie und an   

   die Welt. Denkt immer dran, besonders wenn Zweifel und Entmutigung Euch einholen.“ (Zitat)

Großmutter: Es scheint, als ob man im Enkelkind der großen Liebe zum eigenen Kind wieder begegnet. Wir haben uns jedenfalls in unsere Enkelkinder verliebt. Wir sind begeisterte Großeltern, die immer den Wunsch hatten und haben, möglichst häufig mit unseren Enkeln zusammen zu sein. Wir holten sie von der Kita ab, dann von der Schule, bei Krankheiten betreut, mit ihnen verreist oder gemeinsame Ferientage im Grünen , am See verbracht, mit ihnen ins Kino, ins Theater  oder zu Konzerten gegangen. Wir hatten auch ihre Auftritte, Klavierkonzerte, Theatervorführungen, Handballspiele gemeinsam besucht. Die Entwicklung ihrer Interessen begleitet und auch einen Beitrag zu Erkennung ihrer Talente geleistet. Eventuell auch Einfluss genommen, ohne dabei lange nachzudenken, was die Eltern, d.h. unsere Kinder davon halten, ob sie sich nicht in ihrer Elternrolle herabgesetzt fühlen.

    Unsere Enkelkinder ließen uns wieder zu aktiv Handelnden werden. Ich habe in dem Geburtsjahr meiner beiden Enkeltöchter sogar meine mehr als vierzigjährige Berufstätigkeit aufgegeben. Ich wanderte zwischen Kaulsdorf, wo meine Tochter wohnte und Steglitz, wo mein Sohn wohnte, um die Kleinen spazieren zu fahren oder ihre Kinderhintern zu wischen.

    Unsere Gespräche mit Freunden fingen bei den Enkeln an und endeten bei den Enkeln. Unsere Enkel schienen uns die allerschönsten, die Begabtesten auf unserem Planet. So wie damals unsere Kinder. Wir wunderten uns, dass sie in ihren Schulen, wie alle anderen Kinder behandelt wurden, sich anstrengen mussten, wenig Interesse für Mathe und Naturwissenschaften aufbrachten ( wo sollte es auch her kommen, bekanntlich fällt der Apfel nicht weit weg vom Baum…), keine Sportkanonen oder sonstige Stars, sondern wie alle anderen Kinder, mal mehr, mal weniger mutig oder schüchtern waren. Wir sorgten uns, wenn sie sich nicht in die erste Reihe drängten. Und sich mal zurückzogen, am Fasching nicht Teil nehmen wollten oder, wenn der auserwählte Freund sich gerade für andere Mädchen im Kindergarten interessierte. Zeigten sie im Kleinkindalter schon gewisse Führungsfähigkeiten, dachten wir, schön, wer weiß aber, wo es hin führt?

    Freunde, die keine Enkel hatten, machten große Augen, nanu, was ist mit den los, sie werden ja direkt langweilig, keine politischen Themen mehr, keine Weltereignisse oder Kultur waren auf einmal nur halb so wichtig, wie die ewigen Berichte, ob unsere Babyenkel schon „Mama“ oder „Auto“ gesagt haben. Nicht auszuhalten. Ich musste schon manchmal daran denken, wie mein Vater mit seiner Babyenkeltochter im großen Kinderwagen auf unserer langen Straße in meiner Heimatstadt Łódź den Nachbarn einen täglichen Bericht erstattete darüber, ob der Stuhlgang seiner Enkelin gelb oder grün war… (weitere Details dieser spannenden Diskussionen sind in meinen Bücher nachzulesen). Ja.

Das Thema heißt heute noch zweifellos: „Wie überlebe ich meine polnische Großmutter?“ Aber mein Mann machte –sofern seine Arbeit es zuließ- alles mit und war der beste und aktivste Großvater aller Zeiten.

    Frage an den deutschen Großvater: Warum hast Du das Alles mitgemacht? Du kommst doch nicht aus Polen?

Großvater: Jedenfalls, wenn die Enkel kamen, ließen wir alles stehen und liegen.

    Diese Möglichkeit haben ihre Eltern nicht. Sie sind damit ausgelastet, ihrer Arbeit nachzugehen und das Alltagsleben der Familie zu organisieren. Wie wir es auch waren. Zwar hatten wir, die auf dieser Seite der Elbe leben, keine Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, zu tun hatten wir aber trotzdem genug. Ich bedauere, dass ich die Zeit mit meinen Kindern nicht so ungezwungen empfinden konnte.

Großmutter: Klar, wir haben jetzt mehr Lebenserfahrung und sind ausgeglichener als in der Zeit als unsere Kinder klein waren.

Großvater: Großeltern sind allein durch ihre Existenz  eine Bereicherung. Gerade in Zeiten, in den das Leben in einer Großfamilie ausgedient hat. Im gewissen Sinne können sie auch ein Korrektiv sein. Wenn die Eltern z.B. sagen: „ Lass mal, du kannst das nicht“, dann läuten in mir alle Glocken Sturm. Ich nehme mir die Kleinen und sage: „Du kannst es bestimmt. Du musst allerdings das Beste geben. Und wenn es Dir dann etwas misslingt, ist auch nicht so schlimm. Denn, wer lernt, darf Fehler machen“. Und hoffe, dass mein Verhalten keine Konflikte auslöst oder belebt. Denn ich will sie nicht gegen die Eltern instrumentalisieren, ich will nur ihr Selbstbewusstsein stärken, sie nicht zu eingeschüchterten Menschen, voller Komplexe machen, denn diese haben es schwer und sind dadurch für andere eventuell gefährlich.            Aber tue ich es nicht, wenn ich über meine grundsätzlich anderen Ansichten mit ihnen rede? Mische ich mich auf unangemessene Weise ein? Oder ist es nicht gerade ein Gewinn für die Enkel, wenn sie merken, dass die Großeltern in einigen Fragen anders denken als ihre Eltern? Öffnet es nicht früh ihren Blick für die Vielfalt menschlicher Verhaltensweisen und Beziehungsmöglichkeiten?

Großvater: Sie fragen sich bestimmt, warum wir in Vergangenheit  von unseren Enkeln sprechen. Nein, nein, es geht ihnen gut. Nur: Sie werden groß. Das ist zwar der Gang des Lebens. Es ist, wie es ist. Vom Kopf her wissen wir es, und doch haben wir wieder das „Loslassenproblem“, fast wie damals, als unsere Kinder das Elternhaus verließen. Oder es geht uns noch näher, weil uns Gedanken an eigene Vergänglichkeit immer öfter begleiten? Weil wir jetzt noch, solange es uns möglich ist, Einfluss nehmen wollen? Unser Wissen, unsere Werte und Vorstellungen weiter geben?

Großmutter: Ja, sicher. Obwohl wir es erfolgreich verdrängen und in dem wir immer noch außerhalb des Familienlebens etwas tun. Ich schreibe,  Du hältst Vorlesungen an den Unis in Polen, Russland, Kasachstan. Übrigens, für die deutsch-polnische Annäherung haben wir beide bald mehr getan, als die beiden Regierungen zusammen, findest Du nicht? Und trotzdem, es ist nicht einfach loszulassen.

    Vierzehn Jahre lang hingen sie an unseren Lippen, wenn wir ihnen Geschichten vorgelesen oder erzählt haben – besonders, wenn es Geschichten aus unserer oder ihrer Kinder- und Jugendzeit waren. Bis eines Tages auf meinen Vorschlag ihnen vor dem Einschlafen etwas vorzulesen, eine verblüffende Antwort kam: Ja, Oma, wir kennen schon die Geschichten. Dürfen wir Dir heute eine Geschichte erzählen? Ja. Und so ging es weiter und weiter. Abgesehen davon, dass wir von unseren 2 Enkeln durch tausende Kilometer getrennt sind, sind sie jetzt pubertär. All das erschwert die Möglichkeit neue gemeinsame Erlebnisse immer wieder zu schaffen, aber das wäre wichtig, der gemeinsame  Alltag, man braucht es, um die Säge zu schärfen, weil sonst das Sägen immer schwieriger wird. Und so haben wir uns das nicht vorgestellt.

    Und ihre Eltern? Wie steht es um sie? Jahrelang haben sie sich bei der Betreuung Ihrer Kinder überschlagen. Im Unterschied zu uns damals, legten die Mütter ihre Jobs nieder und kümmerten sich nur um die Kinder. Und plötzlich: Sie besinnen sich darauf, dass das Leben weiter geht, die Kinder werden groß und sie älter. Sie fangen an, sich um sich selbst zu kümmern. Ja, und es ist gut so. Wer kann etwas dagegen haben?

Nur scheint es uns Großeltern manchmal, etwas zu „talibanartig“, zu abrupt. Denn was machen viele Pubertierende mit ihrer Freizeit, während ihre Eltern Tanzen gehen, mit ihren Freundschaften wandern gehen, abends zu Hause nicht mehr kochen? Besonders, wenn sie ortsgebunden sind und keine Freunde gleich nebenan haben? Unsere Sorge ist: Na, ja, Sie wissen schon. Die Heranwachsenden sitzen an ihren Computern, meistens abgeschottet. Gemeinsames Kochen und zu Abend zu essen, dabei unendlich schwatzen, alle schlechten und guten Erlebnisse erzählen, mal gemeinsam nichts tun, ja,  das übliche eben ist rar geworden.  Ihre Eltern befinden sich eventuell  in der Midlifecrisis. In der Spätpubertät sozusagen. Wie das zusammen geht, manchmal bin ich froh, dass ich es nicht jeden Tag sehen und hören muss. Obwohl wir gern mal einspringen würden, mal ein paar Stunden wieder, aber die modernen Kommunikationsmitteln: der  Übergang zur sms und we chat oder whats up, erleichtern die Abschottung ungemein: Ich höre die Nachrichten nur dann ab, wenn es mir danach ist und spare mir dadurch, jemanden direkt aufgeregt oder traurig am Telefon oder vor meiner Tür zu erleben. Ist es nicht schön? Äußern wir unsere Sorge, fühlen sich unsere Erwachsenen Kinder mitunter belastet.

Indes schrumpft unser Einfluss auf unsere Enkel unwiederbringlich.

    Unsere Enkel können über all die großelterliche Begeisterung, gemeinsame Erlebnisse oder interessante Anekdoten später in meinen Bücher lesen. Obwohl es nicht gleich Bücher sein müssen. Briefe, Tagebücher, jede Möglichkeit seinen Enkel etwas zu hinterlassen – und dabei meinen wir nicht das Materielle, obwohl es gegenwärtig eine große Rolle spielt – dient der Bereicherung ihres Lebens.

Großvater: Das Wichtigste, das wir unseren Enkeln mit auf den Weg geben möchten ist ihnen zu erzählen, wie wir gelebt, geliebt, gelacht und geweint haben. Was uns bewegte, an welche Visionen, die untergingen, wir, wie auch unsere Väter, geglaubt haben und wie wir es geschafft haben, am Ende wegen aller guten und trotz aller schlechten Zeiten, fast 50 Jahre zusammen zu bleiben, trotz aller kulturellen Unterschiede und den üblichen Mann- Frau Problemen.  Dass wir darauf stolz sind, alles gemeinsam durchgestanden zu haben, obwohl es, wie in jeder Familie, nicht ohne Konflikte ging.  

    Sie können darüber lesen, sich ihrer Großeltern und Urgroßeltern und ihrer Lebensweise erinnern und ihre eigene Meinung bilden. Und wir haben versucht unsere Wünsche  für sie in einer Auflistung - als eine Art Zehn Gebote - aufzuschreiben. Der Rest ist sekundär.  Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Anlage :

-10 Wünsche für unsere Enkel

- Verzeichnis der im Text erwähnten Bücher:

    Krysia Sar „Wie in frühen Jahren…“, NORA, ISBN978-3-86557-200-4  

    Krystyna Sar „W młodych latach“, ATUT, ISBN, 978-83-7432-863-0

    Krysia Sar „Kommt das Herz zu kurz?” Frieling, ISBN 978-3-8280-3184-5

 

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Kommentare: 2
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    Karolyn Castellano (Samstag, 21 Januar 2017 23:37)


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