Marysia Hensel

Marianne Hensel (* 1936)

 

Ich habe deutsche Wurzeln.

Botschaft für die nachkommenden Generationen:

 

Mein Interesse für Polen rührt daher, dass ich von 1945 bis 1957 in Gleiwitz/Gliwice, das 1945 Polnisch wurde, gelebt habe. Dadurch war mein Umfeld überwiegend Polnisch. Ich fühlte mich sehr wohl, hatte auch viele polnische Freundinnen, mit denen ich heute noch Kontakte habe,

Die Polen, die ich kennenlernte sind ehrlich, gutmütig, gastfreundlich und sehr kinderlieb.
Als Kind fand ich es nicht schwer, die polnische Sprache zu lernen. Es passierte, ohne dass ich darüber nachgedacht habe, vor allem auch, um mit meiner Freundin Halina zu kommunizieren. Denn miteinander zu reden ist ja ein dringendes Bedürfnis.

 

Marianne Hensel (oder Marysia Szuman):

[nach 1945 bis 1957 hieß ich Marysia Radomska, weil wir unseren Nachnamen ändern mussten] 

Ich erinnere mich noch ganz genau an den Augenblick, als ich Halina zum ersten Mal gesehen habe: sie kam mit ihrer Familie in den Hof und hatte ein graues Kleid, dessen Taschen und Kragen orangefarbenen waren.

Da ich ja damals kein Polnisch sprechen konnte, haben wir uns zuerst mit Händen und Füßen unterhalten. Sehr schnell nach der ersten Begegnung aber konnte ich schon die ersten wenigen Worte auf Polnisch sagen. Sie war ein Jahr jünger und kam mit ihrer Familie aus Lemberg/Lwów. Für sie war die Gegend neu, aber die Sprache vertraut, für mich war die Sprache fremd, aber die Gegend vertraut. Wie merkwürdig das klingt! Sicher hat sich da aber Vertraut- und Fremdsein ergänzt.

Wir waren also Nachbarskinder – sie wohnte in der 3. Etage und ich in der 1. Etage – und verbrachten unsere Freizeit zusammen. Jedes Mal, wenn Halina rausging, um zu spielen, klopfte sie bei mir an die Wand. Wir wurden die besten Freundinnen. Als Jugendliche haben wir uns nicht mehr so oft gesehen, weil wir verschiedene Schulen besuchten. Als jungen Frauen kamen wir uns aber wieder näher und als ich 1957 vom vertrauten Gliwice Abschied nahm, habe ich sie nochmals besucht. Sie war inzwischen verheiratet und hatte ein kleines Kind. Wir lagen uns in den Armen und heulten. Ich nahm mit einem geknickten Herzen Abschied von meiner Geburtsstadt. Halina hat mich dann aber bald in Ost-Berlin besucht und wir haben uns über die vielen Jahre regelmäßig gesehen. Später kam sie mit Bożena, einer Freundin, die heute in Kanada lebt, und ihrer Schwester Urszula zu Besuch.
Kurz nachdem ich Halina kennengelernt habe, kam ich in die polnische Schule. In der Klasse waren wir wenige deutsche Kinder, aber wir spürten keine Ablehnung, auch von Seiten der Lehrer nicht. Es gab nur einen Lehrer, der vor 1945 schlimme Erfahrungen mit den Deutschen erlebt hatte. Mit den neuen Mitschülern war es am Anfang ein Herantasten…

 

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