Arno Kiehl

Prolog: Ich mag über mich nicht so viel Aufhebens verbreiten.

Bin in Berlin-Weißensse anno 1934 geboren, immer dort wohnend geblieben. In einer Arbeitergegend aufgewachsen. Nazizeit als Kind mit all seinen Schrecklichkeiten erlebt. In der DDR sozialisiert.

1. Beruf: Maschinenbauer - 2. Beruf: Journalist, 3. Beruf: Lehrmeister, 4. Beruf: Kabarettist.

Alle Berufe sehr gerne ausgeübt- pardon, den Beruf des Journalisten nur halbherzig!!

Familienstand: geschieden, seit ca. 50 Jahren

2 Kinder = 1 Tochter + 1 Sohn

3 Enkelkinder + 6 Urenkel

Nun zum eigentlichen Anliegen: Mein großes Interesse für Polen.

Der in er DDR so oft zitierte Satz: „Freundschaft mit allen friedliebenden Völkern“ war mir so eine Art Richtschnur. Also versuchte ich die theoretische Seite mal in die Praxis umzusetzen.

Was lag näher, als das man sich doch intensiver mit seinem Nachbarstaat beschäftigen sollte!! Darüber möchte ich nur 2 Seiten beleuchten:

1.     Kinderferienlageraustausch

2.     Freundschaft zu Bürgern der VR Polen

In meinem 3.Beruf als Lehrmeister im Polytechnischen Zentrum des KWO (Kabelwerk Oberspree) hatte ich den Ruf ein guter Lehrmeister zu sein und ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Schülern hatte. Das sprach sich bis in die leitenden Gremien des Werkes herum und so bot man mir an, doch als Gruppenleiter (später Delegationsleiter) mit Kindern in ein polnisches Kinderferienlager zu reisen.

Darüber war ich sehr angetan.

Die Reise ging nach Roków bei Wadowice . Die Tage waren sehr erlebnisreich, wir wurden überaus freundlich empfangen. Diese Gastfreundschaft war für mich nicht so selbstverständlich, denn ich kannte die jüngste Geschichte zwischen Deutschland und Polen.

Alle Kinder verlebten wunderschöne Tage, das Betreuungspersonal verstand sich blendend und die Kinder lernten die ersten Sätze polnisch bzw. deutsch.

Die leitenden Sozialarbeiter des Krakauer Kabelwerks KFK besuchten uns oft und so entwickelte sich ein reger Meinungsaustausch.

Eine Episode möchte ich anführen:

Wenn wir von unserem Kinderferienlager in die Stadt Wadowice gingen, mussten wir immer an einem Bauerngehöft mit Ackerflächen vorbei wandern. Dort mühte sich ein betagter Bauer mit seiner Frau die Getreideernte einzubringen. Einer meiner Jungen meinte: Vielleicht sollten wir diesen Leuten helfen. Ich war sehr erstaunt über dieses Ansinnen. Als wir zurück im KFL waren hielten wir eine Beratungsrunde ab. Thema: Hilfe für polnische Bauernfamilie.

Es wurde beschlossen: Wir helfen!!

Am nächsten Tag ging ich allein zu der Bauernfamilie und erklärte ihr unser Vorhaben. Sie war skeptisch und fragte, ob es Kinder seien, die Landarbeit kennen usw.

Bald waren die Zweifel zerstreut, am nächsten Tag pünktlich um 7.00 Uhr morgens traten wir an. Der Bauer wies uns ein und schon ging die Arbeit los. Besser als ich gedacht hatte. Die Jungen waren sehr geschickt und besaßen auch genügend Kraft. Ab und zu gab es eine Oranżada, denn es war ein sehr heißer Erntetag!

Der Bauer und seine Frau staunten nicht schlecht wie geschickt die Stadtkinder aus Berlin ihre Arbeit verrichteten.

Nach getaner Arbeit hieß es: Waschen unter der Pumpe und dann wundervolle Köstlichkeiten verspeisen, die die Bauersfrau zubereitet hatte. Für mich war das ein erhobener Augenblick.

Die Bauersleute bedankten sich, wir uns auch und versprochen, wenn Hilfe benötigt würde, wir kämen gerne noch einmal.

„War doch jut, wa Arno“, sagte ein lustiger Bursche meiner Jungengruppe und war sichtlich stolz. Unsere Hilfsaktion sprach sich im Dorf herum und unseren Kindern wurde eine große Aufmerksamkeit geschenkt!!

 

Wie erlebte ich Freundschaft mit polnischen Menschen, wodurch und warum?

 

Alle meine Freundschaften mit polnischen Menschen unterschiedlichster sozialer Herkunft resultierte aus meiner Tätigkeit als Gruppen bzw. –Delegationsleiter unser Kinder der Mitarbeiter des Kabelwerkes Oberspree in Polen. Ob in Roków bei Wadowice oder in Krościenko am Dunajec. Es waren nicht immer himmeljauchzende Treffen, sondern ganz peu a peu Annäherungen. In den 18Jahren meiner Kinderferienlagerarbeit begegnete ich vielen polnischen Menschen. Vom einfachen Landarbeiter bis zur Professorin der Jagiellonen Universität. Viele, viele Stunden verbrachten wir in sehr eindrucksvollen aber auch kontroversen Diskussionsrunden.

 

Aber auch in Privatgesprächen erfuhr ich Dinge, die in keiner DDR-Zeitung je gestanden hatten. Meine ehrliche und offene Art meiner Gesprächspartnerin gegenüber brachte mir sehr viel Vertrauen ein. Und so entwickelten sich  behutsam sehr liebenswerte Freundschaften. Mein polnischer Sprachschatz mehrte sich.

 

Eine Freundschaft möchte ich besonders erwähnen.

Im Polnischen Kinderferienlager in Roków wollten die polnischen Jüngsten immer mit pan Arno wandern, singen, spielen. Pan Arno konnte noch nicht so gut polnisch sprechen und so kam es zu ganz lustigen Verwechslungen.

 

Es war wunderschön mit diesen quicklebendigen jungen Menschen den Tag zu verbringen. Es gab bei unseren Kinder die Meinung, dass ich mich „nur“ den polnischen Kindern zu wenden. So legten wir die jüngsten Kindergruppen deutsche wie polnische zusammen als eine Gruppe.

 

Ein kleines Mädchen mit Namen Kasia war immer in meiner Nähe, das machte mich stutzig.

Sie erzählte mir von ihren Zuhause in Kraków- Bieżanów von Papa und Mama und, und, und. Sie gab mir in ihrer Kindlichkeit zu verstehen, dass sie mich sehr mag und dass ich so lustig bin und ob ich nicht ihre Mama, den Papa, ihre Geschwister besuchen möchte. Natürlich willigte ich ein. Übrigens Kasia sprach etwas Deutsch.

 

Beim Besuchertag - dzień odwiedzin - wurde ich den Eltern vorgestellt und ich erhielt eine Einladung zu einem Besuch in Kraków. Daraus entwickelte sich eine sehr intensive und aktive Freundschaft. Wir lebten unsere Freundschaft. D.h. wir teilten Freud und Trauer. Ich half, wo ich konnte (gerade beim Ausnahmezustand 1981). „Mein“ Zimmer steht mir immer zur Verfügung. Wir leben zusammen, wir arbeiten zusammen, wir feiern zusammen, wir diskutieren zusammen in Augenhöhe.

 

Heute ist Kasia (eine äußerst intelligente liebenswerte Ehefrau verheiratet mit Staszek und hat 3 Kinder: Karolinka, Marta und Kacper. Bei der Geburt der Zwillinge Marta und Kacper bekam Kacper zu wenig Sauerstoff und so ist er körperlich wie geistig geschädigt. Eine Tragödie! Alle Karrierepläne für Kasia hin. Und auch hier ist meine Solidartät selbstverständlich! Wujek Arno steht zu seinen Worten. Und so besteht unsere Freundschaft nun mehr 44 Jahre. Ich möchte sie nicht missen!!

 

Zur jungen Generation:

 

Meine Kinder waren oft in Polen. Ob bei meinen Verwandten in Oberschlesien oder in Kraków oder Kalwaria Zebrzydowska. Das ließ merklich nach als sie eigene Familien gründeten, eigene Existenzen aufbauten mit all ihren Gebrechen fertig werden mussten und müssen. Sie haben immer die Begegnungen mit Polen in guter Erinnerung.

 

Meine Enkel finden überhaupt keine Beziehungen zu Polen. Außer ein paar unüberlegte, dumme Bemerkungen.

 

Für mich ist die Vorbildwirkung die entscheidende Prämisse für die junge Generation, die ich in Fragen der Verhältnisse zu Polen gezeigt habe.

Was Kinder, Kindeskinder oder alle gemein gestehen die jüngere Generation daraus machen, ist oft nicht zu ersehen. Viele Faktoren im Freundeskreis, Politik und Ökonomie, Medienüberflutung sind oft mit negativen Einflüssen gespickt! ES GIBT AUCH POSITIVES!

 

 

Botschaft an meine Nachkommen:

 

All meine Erfahrungen zu den o.g. Themen möchte ich der jungen Generation übermitteln, damit sie von oberflächigen Meinungen und Stereotypen, klischeehaften Betrachtungen Abstand nimmt. Ich offeriere ihr mit meinen Darlegungen Polen zu besuchen und nicht nur schlechthin nur Tourist zu sein.

 

 

Arno Kiehl

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